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Frauenproteste in Weißrussland

Am Rand der EU brodelt es. Der weißrussische Präsident Aljaksandr Lukaschenka weigert sich trotz monatelanger Proteste, zurückzutreten. Eine Gruppe von Frauen reagiert darauf mit friedlichen Protesten. Eine Geschichte in Kooperation mit dem Frauenmagazin "Femality" auf Radio NJOY 91.3 .


AUDIO: JOHANNA HIRZBERGER UND JULIA PABST

TEXT: JULIA PABST


Am Rand der EU brodelt es, denn der letzte Diktator Europas, Aljaksandr Lukaschenka, weigert sich, das Zepter abzugeben. Seit 26 Jahren ist er an der Macht und herrscht mit Gewalt und Unterdrückung. Er nimmt die Coronakrise nicht ernst und treibt die weißrussische Wirtschaft seit Jahrzehnten in den Ruin. Mit der Präsidentschaftswahl am 9. August läuft das Fass über: Lukaschenka lässt Gegner*innen verhaften und manipuliert die Wahl. Seine einzige verbliebene Kontrahentin Swetlana Tichanowskaja nimmt er am Wahlabend fest und zwingt sie zu einer Videobotschaft, in der sie die vermeintliche Niederlage eingestehen soll. Tichanowskaja flieht am nächsten Tag nach Litauen. Dort tritt sie seither als selbsternannte Wahlsiegerin in internationalen Gremien auf und steht für die Freiheitsrechte der Weißruss*innen ein.


Die Demonstrierenden wollen die gefälschten Wahlergebnisse nicht akzeptieren und gehen massenhaft auf die Straße. Die Polizei reagiert mit scharfer Munition und Tränengas. Innerhalb der ersten vier Protesttage werden über 6.700 Menschen festgenommen, 250 verletzt und zwei getötet. Zeug*innen berichten von Folter und sexuellem Missbrauch im Minsker Gefängnis Okrestino. Lukaschenka verhöhnt die Demonstrant*innen und nennt sie "Ratten". Er lässt sich mit Kalaschnikows vor dem Präsidentenpalast ablichten und proklamiert: "Ihr müsst mich schon töten, wenn ihr neue Wahlen wollt."



Fast tägliche Proteste seit Monaten


Die Demonstrant*innen lassen sich aber nicht unterkriegen: In den letzten beiden Monaten kommt es fast jeden Tag zu neuen Protestmärschen. Hunderttausende Arbeiter*innen gehen in den Generalstreik. Ende August organisieren tausende Frauen unter dem Namen "Große Parade der weiblichen Friedenstruppen" Proteste und bilden eine Menschenkette quer durch Minsk. Maskierte Polizisten gehen auf die Demonstrant*innen los. Es gibt wieder hunderte Festnahmen.


Das Absurde an der ganzen Situation: Die Frauenproteste in Belarus sind friedlich. Die Demonstrant*innen ziehen ihre Sonntagskleider an und gehen mit Blumensträußen unter den Armen auf die Straße. Sie verteilen Eis an Sicherheitskräfte und halten sich an den Händen. Was genau sie wollen? Dass die Gewalt endlich aufhört. Was sie vom Regime kriegen? Noch mehr Gewalt.


amrand.at hat in Kooperation mit Femality mit der Begründerin der Frauenproteste via Zoom gesprochen. Sie stellt sich als Yanna vor. Ihren echten Namen kann sie aber nicht nennen. Immerhin wird sie vom weißrussischen Geheimdienst als vermeintliche Volksverräterin verfolgt. Yanna ist Anfang dreißig und glücklich verheiratet. Sie hat vor den Ausschreitungen als Schmuckdesignerin in Minsk gearbeitet. Mit Politik hatte sie nichts am Hut. Nie hätte sie gedacht, dass ihre Heimat in so kurzer Zeit Feuer fangen könnte.


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