Jedes Jahr kommen in Österreich etwa 13.000 Sternenkinder auf die Welt - also Kinder, die vor, während oder kurz nach ihrer Geburt gestorben sind. Sie hinterlassen Eltern, Geschwister, Großeltern. Familien erzählen, wie sie mit dem Tod ihrer Kinder umgehen, die sie nie persönlich kennenlernen konnten - und wie ihre Sternenkinder trotzdem Teil ihrer Familie sind.
PODCAST, TEXT & FOTOS: URSI ZAISER
ILLUSTRATION: CARLA MÁRQUEZ
"Was ich schwierig finde, ist die Frage: 'Wie viele Kinder habt ihr denn?' Darauf zu antworten. Weil die Leute wollen es eh nicht hören. Die Leute wollen hören, wie viele Kinder leben denn bei dir." Yvonne sitzt auf der Couch in ihrem Wohnzimmer in Wien. Die blonde Frau ist umgeben von Kinderspielzeug. Es gehört ihrer Tochter, Valerie. Valerie ist ein Jahr alt, quietschvergnügt im wahrsten Sinne des Wortes. Sie krabbelt zwischen Yvonne und ihrem Partner Ramon hin und her. Ramon sitzt auf einem Sessel Yvonne gegenüber. Die Familie ist komplett - fast. Yvonnes und Ramons Sohn fehlt.
Windräder für Sternenkinder - hier an der Gedenkstätte für frühverstorbene Kinder am Friedhof Wels
Zu den Sternen gereist
Wie viele Fehlgeburten jedes Jahr in Österreich passieren, das kann man nur schätzen. Statistisch erfasst werden sie nicht. Kürzliche Studien gehen davon aus, dass bis zu jede siebte erkannte Schwangerschaft in einer Fehlgeburt endet. Bei rund 85.000 Lebendgeburten pro Jahr macht das 13.000 Fehlgeburten. In Österreich spricht man dann von einer Fehlgeburt, wenn ein Kind bei der Geburt keine Lebenszeichen zeigt - also zum Beispiel nicht atmet - und weniger als 500 Gramm wiegt. Wenn es mehr als 500 Gramm wiegt, gilt es als Totgeburt. Davon gibt es laut Statistik Austria jedes Jahr ungefähr 300 in Österreich. Ein Geburtsgewicht von 500 Gramm erreicht ein Fötus nach etwa 24 Schwangerschaftswochen, also nach mehr als der Hälfte einer Schwangerschaft. Diese dauert normalerweise 40 Wochen, also neun Monate.
Yvonnes und Ramons Sohn Blue ist 2019 in der 15. Schwangerschaftswoche gestorben, also im vierten Monat. Sie sehen ihn als ihr erstes Kind. "Man ist dann einfach Elternteil von einem verstorbenen Kind. Das geht nicht weg, das ist da und das bleibt da", sagt Yvonne. Für sie und Ramon ist es sehr wichtig, ihrem Sohn Raum in ihrem Leben zu geben. Valerie weiß, dass sie einen Bruder hat. Die Familie feiert Blues Geburtstag, und im Wohnzimmer gibt es eine Vitrine mit Erinnerungsstücken an ihn. Darin finden sich die ersten Ultraschallfotos, eine Kerze, der Mutter-Kind-Pass, Zeichnungen, die Familie und Freund*innen gemacht haben.
Fehlgeburten sind immer noch ein Tabuthema - und das obwohl sie so häufig sind. "Bevor uns das passiert ist, haben wir ja gar nicht gewusst, wie vielen Leuten das schon passiert ist, weil es redet ja keiner drüber", erzählt Ramon. Nach Blues Tod haben ihm Arbeitskollegen davon erzählt, dass es auch in ihren Familien Fehlgeburten gegeben hat. Davor war das nie Thema. Weil so wenig darüber gesprochen wird, trauen sich viele Eltern nicht, die Trauer um ihre verstorbenen Kinder zuzulassen - gerade wenn die Fehlgeburt früh passiert. Das werde oft als "nicht so schlimm" abgestempelt. "Der Unterschied ist aber nur, dass die Themen andere sind", sagt die klinische Psychologin Martina Schneider im Interview mit amrand.at. "Die Trauer ist gleich, man hat jemanden verloren, den man geliebt hat." Yvonne ist derselben Meinung: "Ganz egal, in welcher Woche du dein Kind verlierst, du hast dein Kind verloren. Du hast ein Kind gehabt, und das muss nicht verschwiegen werden."
Im Podcast hörst du die Geschichten von Nicole und Tina. Sie sind Mütter von jeweils zwei Sternenkindern.
Rechtlich keine Menschen
Allerdings macht auch das österreichische Gesundheits- und Rechtssystem Unterschiede, abhängig davon, wann ein Sternenkind zur Welt kommt. Mütter, die eine Fehlgeburt hatten, haben keinen Anspruch auf Mutterschutz, keinen Anspruch auf bezahlte Nachsorge durch eine Hebamme - und damit höchstens die Möglichkeit, nach einer Fehlgeburt in Krankenstand zu gehen. Seit 2016 gibt es bis vier Wochen nach einer Fehlgeburt einen Kündigungsschutz für die Betroffenen. Ein Kind, das mit weniger als 500 Gramm Geburtsgewicht zur Welt kommt und keine Lebenszeichen zeigt, bekommt keine Geburts- und Sterbeurkunde. Rechtlich gilt es nicht als Mensch. Nach einer Totgeburt - also wenn das Kind ein Geburtsgewicht von mehr als 500 Gramm hat - haben Mütter hingegen die gleichen rechtlichen Ansprüche wie nach einer Lebendgeburt. Und das Kind wird ins Geburtenregister eingetragen. Wenige Gramm können den Unterschied machen.
"Ob Sternenkind oder Kind, es ist trotzdem dein Kind. Dein Kind wird immer dein Kind sein."
Seit 2017 gibt es die Möglichkeit, Fehlgeburten kostenlos standesamtlich beurkunden zu lassen. Man benötigt dafür eine ärztliche Bestätigung über die Fehlgeburt und einen Lichtbildausweis. Die Urkunde ist kein Dokument im rechtlichen Sinne, doch für viele Sterneneltern ist es tröstlich, zumindest etwas Offizielles in Hand zu haben, das bescheinigt, dass ihre Kinder existiert haben.
Sternenkinder als Teil des Alltags
Auch Jahre nach seiner Geburt ist Blue in Yvonnes und Ramons Leben präsent. „Es ist nichts, was man vergisst. Jeder, der sagt, ich hab das vergessen, das ist ein Blödsinn. Es wird leichter, aber man vergisst es nicht", sagt Ramon. Auch Studien belegen das. Die Trauer um ein Sternenkind dauert oft jahrelang an, auch nach der Geburt eines gesunden Kindes. Viele Eltern wollen ihrem Kind einen Platz im Alltag geben, wie es Yvonne, Ramon und auch die anderen Sterneneltern, mit denen amrand.at gesprochen hat, tun.
Der Begriff Sternenkind ist für viele Eltern tröstlich - so auch für Yvonne. "Wir können da jetzt raufschauen und sagen, vielleicht ist eines von den Sternchen unser Sohn. Davor war es ein Begriff für mich, aber seitdem ist es was Schönes.“ Andere wiederum sehen sich schlicht als Eltern, unabhängig davon, ob es sich um ein Sternenkind handelt. Dazu gehört Ramon. "Das macht für mich keinen Unterschied. Ob Sternenkind oder Kind, es ist trotzdem dein Kind. Dein Kind wird immer dein Kind sein."
HILFSANGEBOTE
Der Verein Pusteblume betreut kostenlos Eltern von Sternenkindern und informiert sie über ihre Möglichkeiten. Die Obfrau des Vereins, Simone Strobl, ist selbst Mutter von zwei Sternenkindern. Einen Beitrag über ihre Geschichte findest du hier (etwas weiter unten auf der Seite).
Rosa Blau Gestreift bietet Begleitung nach der Geburt eines Sternenkindes und auch bei Folgeschwangerschaften an, in Einzeltherapie oder in einer offenen Gesprächsgruppe. Es gibt auch eine Facebook-Gruppe.
Die Selbsthilfe-Initiative Verein Regenbogen bietet monatliche Selbsthilfegruppen und Informationen für betroffene Eltern in Wien.
Hier findest du eine Liste mit weiteren Selbsthilfegruppen in allen österreichischen Bundesländern inklusive Kontaktdaten.
Auch die Caritas bietet kostenlose Trauerbegleitung an, entweder in Einzelgesprächen oder in begleiteten Gruppen.
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