Sie müssen alleine das leisten, was normalerweise von zwei Partner*innen gemacht wird. Alleinerziehende Mamas stehen in der Coronakrise besonders unter Druck. Staatliche Unterstützung gibt es kaum.
TEXT: JULIA PABST; VIDEO: SANDRA SCHOBER; GRAFIK: JULIA PABST, SANDRA SCHOBER; ILLUSTRATION: CARLA MÁRQUEZ
Dem Kleinen den Satz des Pythagoras erklären, währenddessen den Eintopf für Mittag anrichten und dem/der Chef*in am Telefon versichern, dass die Abgabe heute Nachmittag noch fertig wird. Bei der anschließenden Videokonferenz über das schlechte Internet fluchen, das im Nebenraum gerade auch fürs Homeschooling gebraucht wird und wenn die Kinder endlich schlafen, die Wäsche machen und überfällige E-Mails durchackern. Für Sonja ist das derzeit der ganz normale Wahnsinn. Die 43-jährige Alleinerzieherin hat zwei Söhne: Der jüngere ist neun und der ältere 13 Jahre alt. Sie arbeitet Teilzeit in der Kulturbranche.
Schon vor Corona war ihr Alltag eine komplexe Maschine mit tausenden Zahnrädern, die ineinander greifen müssen, um zu funktionieren. Planung und Zeitmanagement sind alles, wenn man beide Elternteile zugleich spielen muss. Dass das nicht spurlos an Sonja vorbei geht, bemerken auch ihre Kinder, wie sie amrand.at in einem Videocall erzählt: „Als mein kleiner Sohn zum ersten mal die Hindu-Göttin Kali mit den zehn Armen gesehen hat, hat er mich angeschaut und gesagt 'Mama die hat zehn Arme und du hast nur zwei und du machst mindestens genauso viel.'“
Sonja ist eine von 153.400 alleinerziehenden Müttern in Österreich. Rund 91 Prozent der Solo-Eltern sind Frauen. Die meisten haben zwischen ein und zwei Kinder und sind zwischen 35 und 44 Jahre alt. Doris Pettighofer, Geschäftsführerin des Vereins Österreichische Plattform für Alleinerziehende (ÖPA) ist davon überzeugt, dass fest verankerte Geschlechterrollen der Grund dafür sind, dass es kaum alleinerziehende Väter gibt. Sie sagt: „Das Verhältnis von 90 alleinerziehenden Müttern zu zehn alleinerziehenden Vätern ist dem traditionellen Familienbild geschuldet.“
Immer im Einsatz
Für alleinerziehende Eltern ist der Alltag ein permanenter Marathonlauf. Wer nicht dauernd alles gibt, schafft nicht alle Aufgaben. Selbst kurze Zusatztermine wie Interviews gehen sich da nur schwer aus. Immer wieder erhalten wir im Zuge unserer Recherche Absagen wie diese von Vanessa: “Leider habe ich überhaupt keine Zeit. Unser Kindergarten hat wegen Corona zu, ich bin im Homeoffice und versuche so gut wie möglich Kind und Arbeit unter einen Hut zu bringen: Also 8.00-12.00 Uhr arbeiten, 12.00-13.00 Uhr Pause zum Kochen und während des Mittagsschlafs der Kleinen arbeite ich weiter. Ab 16.00 Uhr ist Kinderunterhaltung und Haushalt dran. Um 20.30 Uhr bin ich fertig und gehe schlafen. Der ganz normale Wahnsinn eben!”
Eigentlich brauchten alleinerziehende Mamas mindestens acht Arme, um all ihre To-Dos erledigt zu bekommen
Corona wirkt dabei wie ein Brandbeschleuniger auf den Stress, den alleinerziehende Mütter in ihrem Alltag stemmen müssen. Die 39-jährige Kellnerin Andrea kann davon ein Lied singen: “Bis auf das, was ich schlafe, bin ich relativ aktiv. Ich arbeite durchschnittlich 17 Stunden am Tag." Andrea lebt mit ihrer siebenjährigen Tochter und ihrem bald 14-jährigen Sohn in einer kleinen, gemütlichen Wohnung in der Obersteiermark. Ihr ältester Sohn (16) ist mit ihrem Ex-Mann nach der Scheidung im alten Haus geblieben.
Auch wenn Paare viel darüber diskutieren, am meisten Arbeit erledigen im Haushalt und in der Kinderbetreuung nach wie vor Frauen. Bei Alleinerziehenden fallen Partner*innen als finanzielle und organisatorische Stütze weg. Zwischen Job, Hausarbeit, Homeschooling und Kinderbetreuung kommen sie während der Coronakrise laut einer Umfrage des Moment-Instituts auf knapp 15 Stunden tägliche Arbeitszeit. Neun Stunden davon sind im Schnitt unbezahlte Kinderbetreuung und Hausarbeit.
Andrea sucht den Ausgleich zum permanenten Stress in der Natur. (c) privat
Dass alle Aufgaben zuhause an ihr hängenbleiben, das kennt auch Maria*. Als ihre Tochter zehn Monate alt ist, trennt sie sich von ihrem Partner. Heute ist ihre Kleine vier und sie managed Erwerbsarbeit, Hausarbeit und Kinderbetreuung alleine. Um sich über Wasser halten zu können, hat sie zwei Jobs zugleich. “Der klassische Tagesablauf ist aufstehen, putzen, anziehen, Frühstück machen, an Job eins arbeiten und Mails lesen. Dann das Kind in den Kindergarten bringen, zu Job zwei fahren. Dann das Kind vom Kindergarten abholen, so um 18 Uhr Abendessen machen und um 21 Uhr schlafen gehen. Um 5:30 Uhr geht es wieder von vorne los.”
Corona-Überlastung
Zum ganz normalen "Wahnsinn" kommt während des Lockdowns noch der Corona-Wahnsinn dazu. Bei Homeoffice und Homeschooling kommt es zu Rangeleien um Computer, Internet und Arbeitsplatz. Von einer ruhigen, konzentrierten Arbeitsatmosphäre kann keine Rede sein, erzählt Sonja. "Mit Homeoffice und zwei Kindern im Homeschooling ist das noch einmal eine andere Geschichte. Das ist sehr intensiv. Um 6:00 Uhr in der Früh aufstehen, dann zwei Stunden Büroarbeit und dann die Kinder, Schule und whatever. Der Rest meiner Arbeit kommt dann zwischen 10 Uhr abends und 3 Uhr früh dran.”
Sonja ist mit ihren Problemen nicht alleine. Laut einer Studie der Uni Wien haben rund zwei Drittel der alleinerziehenden Mütter mit dem Homeschooling Schwierigkeiten. Fast 30 Prozent der Befragten gelingt es nach eigenen Angaben nur schlecht, ihre Kindern beim Lernen zu unterstützen. Mangelnde pädagogische Kenntnisse und das Fehlen von Computern, Druckern und Co. machen das Homeschooling zur Mammutaufgabe. Es kommt zum Spagat zwischen Berufs- und Privatleben, was sich im Homeoffice kaum trennen lässt.
Für Sonja sind ihre beiden Söhne das Wichtigste auf der Welt. (c) privat
In kleinen Wohnungen kommen sich Eltern und Kinder zudem ständig in die Quere. Eine Studie von JUNO, dem Zentrum für Getrennt- und Alleinerziehende, weist darauf hin, dass es in Ein-Eltern-Familien in Wien kaum Rückzugsorte für Eltern und Kinder gibt. Ein Drittel der Alleinerziehenden hat kein eigenes Schlafzimmer, ein Drittel der Kinder kein eigenes Kinderzimmer. Ungestörtes Arbeiten? Fehlanzeige.
Im Krisenmanagement der Regierung werden Umstände wie diese kaum berücksichtigt. Ökonomin Katharina Mader von der WU in Wien kritisiert, dass die Bedürfnisse von vielen Frauen in der Krise zu kurz kommen würden: "Die implizite Annahme der Regierung war, dass Mütter das schon erledigen.” Auch die alleinerziehende Mama Maria lässt an der türkis-grünen Regierung kein gutes Haar. Alleinerziehende würden kaum unterstützt werden, klagt sie: "Mit den Maßnahmen und Lockdowns hat man bemerkt, das da nicht viel Hilfe kommt. Die Prioritäten liegen woanders - etwa beim Schifahren, Shoppen und der Rettung der AUA."
Mama für alles
Bei der Scheidung ist für Andrea und ihren Ex-Mann schnell klar, wer die beiden kleineren Kinder übernehmen wird. "Die Frage, ob er die Kleinen übernimmt, haben wir uns gar nicht gestellt", erinnert sie sich heute zurück. Ihr Ex-Mann arbeitet Vollzeit, auch während der Ehe hat hauptsächlich sie sich um die Kinderbetreuung gekümmert. Der älteste Sohn ist mit 16 Jahren schon selbstständiger und hat sich dafür entschieden, beim Papa zu bleiben. “Als Mama hast du die Mamarolle, du machst am meisten mit den Kindern, du organisierst alles und machst alles. Du übernimmst eben den Großteil.”
Die meisten Trennungen laufen so ab wie jene von Andrea: Frauen übernehmen auch nach der Trennung die Betreuungspflichten und stecken dafür beruflich zurück. Insgesamt arbeitet in Österreich 2019 knapp jede zweite Frau in Teilzeit, bei den Männern ist es gerade einmal jeder zehnte. Viele Frauen entscheiden sich bewusst für dieses Familienmodell. Häufig geben aber auch ökonomische Gründe den Ausschlag dazu: Verdient der Mann mehr, bleibt die Frau zuhause. Viele wollen zwar weiterarbeiten, haben aber niemanden, der oder die in der Zwischenzeit auf ihre Kinder aufpasst. Die ÖPA fasst in einer Aussendung zusammen: "Hauptmotiv für die eklatant hohe Teilzeitquote bei Frauen in Österreich ist immer noch die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf."
Quelle: Statistik Austria
Hat der Ex-Partner berufsbedingt keine Zeit für die Kinderbetreuung, bleiben die Kinder nach der Trennung meistens bei der Mutter. Andrea zieht mit ihren beiden jüngeren Kindern in eine neue Wohnung um. Konfrontiert mit emotionalem, beruflichem und privatem Stress, ist das kein Kinderspiel. “Es war schwierig. Mutter, alleine, arbeiten, Wohnung einrichten, die Umgewöhnungsphase der Kinder, neue Schule, neues Leben, neue Freunde, es ist schon sehr schwierig.”
Auch für Sonja sind die ersten Monate als alleinerziehende Mama hart. Sie hat kaum Möglichkeit, ihre eigenen Gefühle zu reflektieren und den Trennungsschmerz zu verarbeiten. Sie muss für die Kinder funktionieren. „Man ist irgendwo in der Verzweiflung mit den eigenen Gefühlen beschäftigt. Aber dafür ist keine Zeit, denn man muss sich um die Kinder kümmern und den Alltag neu strukturieren. Das ist einfach viel. Aber ich bin kein Mensch, der jammert. Ich habe auch keine Wahl, ich muss aufstehen und weitermachen, ich habe zwei Kinder.“
Generell hätten alleinerziehende Mütter in Österreich auch mit Stigmata zu kämpfen. “Mir ist aufgefallen, dass vor allem am Land Alleinerziehen noch ein Stigmata ist und das muss es nicht sein”, erzählt Sonja. Durch den gesellschaftliche Druck würden viele Paare vor einer Trennung zurückschrecken. Dabei seien streitende Eltern für Kinder belastender als getrennte Eltern. “Es sollte kein ‘Du hast das nicht geschafft’ oder ‘Das arme Kind muss jetzt so aufwachsen’ sein.“
Als ob alles noch nicht schwierig genug wäre, kommt für Sonja ein weiteres Problem dazu: Als geringfügig arbeitende Studentin hat sie keinen Anspruch auf einen Kindergartenplatz. Weder die Österreichische Hochschüler*innenschaft (ÖH) noch das Arbeitsmarktservice (AMS) kann ihr weiterhelfen. „Du bist als Studierende mit Kind in Wirklichkeit verloren, wenn du es nicht schaffst, dir das richtige Netzwerk aufzubauen.“
Auffangnetz
Ihre Eltern wohnen in der Nähe, hin und wieder springt der Ex-Mann ein und auch ihre Freund*innen unterstützen sie – Andrea hat Glück im Unglück. Sie hat ein engmaschiges Auffangnetz. Einige ihrer Freund*innen sind selbst alleinerziehende Mütter und wissen, wie es ihr geht. Andrea kann sich mit ihnen austauschen und sich so den Kummer von der Seele reden. Die Frauen passen auch abwechselnd auf ihre Kinder auf und ermöglichen sich so einige wenige kostbare Stunden zum Verschnaufen. Andrea ist sehr dankbar für diese Unterstützung: "Es ist nicht immer so einfach, dass man alles unter einen Hut bringt. Du als Mutter brauchst Stützen. Dafür hab ich Gott sei Dank meine Freundinnen und meine Familie – ohne die würde das nicht so funktionieren.”
Auf Kindergärten und Schulen können sich Alleinerziehende in den meisten Fällen nicht verlassen. Gerade am Land ist ganztägige Betreuung rar. Während in Wien 44 Prozent der unter Dreijährigen einen Kindergarten besuchen, sind es in der Steiermark gerade einmal 15 Prozent. Bei den zwischen Drei- und Fünfjährigen gibt es mehr Angebote: Rund 94 Prozent besuchen österreichweit einen Kindergarten. Allerdings sperrt österreichweit jeder fünfte Kindergarten vor 14.00 Uhr zu, nur jeder Dritte hat bis mindestens 17.00 Uhr geöffnet.
Ganztägige Kinderbetreuung ist in Österreich nach wie vor eher die Ausnahme. (c) cottonbro von Pexels
Sonja kennt dieses Problem. Die Suche nach einem geeigneten Kindergartenplatz wird auch für sie zum Spießrutenlauf. Ihr Lebenskonzept passt nicht in die vorgegebenen Strukturen. “Es wird noch immer davon ausgegangen, dass eine Oma da ist, die die Kinderbetreuung übernimmt.” Sonja hat sich für einen anderen Weg entschieden und ist mit ihren Kindern in eine Wohngemeinschaft (WG) gezogen. Gemeinsam mit einem alleinerziehenden Vater und einer Studentin teilt sie sich hier die alltäglichen Bürden: „Ich habe ein Riesenglück. Wenn ich mal den Kühlschrank nicht auffüllen kann, weil es sich wirklich nicht ausgeht, habe ich Mitbewohner und das Notwendigste ist da. Das ist ein Riesengeschenk.”
Haushaltskasse
Zu wenig Geld zu haben, um den Kühlschrank vollfüllen zu können – dieses Problem kennen viele Alleinerziehende. Ohne gesicherte Kinderbetreuung ist eine Vollzeitanstellung nicht möglich. Auch bei Andrea geht sich mehr als ein Teilzeitjob nicht aus. Das wirkt sich auf die Haushaltskasse aus. “Das Geld ist nicht so da, wie in einer normalen Partnerschaft. Die Kinder sollen aber alles haben. Ich spare bei meinen persönlichen Bedürfnissen", sagt sie. Natürlich gebe es immer wieder Geschenke und Wünsche, die sie nicht erfüllen kann, "aber das müssen sie ja auch lernen, dass man nicht alles immer haben kann und auch sparen muss."
Dass sich viele Alleinerziehende nicht einmal das Nötigste leisten können, zeigt die Statistik: Ein-Eltern-Haushalte sind laut Statistik Austria mit einer Quote von 32 Prozent nach Sozialleistungen 2019 am meisten von Armut und Ausgrenzung bedroht. Und das, obwohl alleinerziehende Mütter durchschnittlich mehr Stunden in ihrem Brotberuf arbeiten als Mütter in Paar-Familien. Doris Pettighofer von der ÖPA sieht darin ein großes Problem: "Die Ausgrenzung passiert jetzt wirklich über die Armut und über die Armutsgefährdung. Da sind die Chancen von den Kindern ruiniert, wenn man die Lebensrealitäten von den Familien nicht richtig sieht.“
Quelle: Statistik Austria
Es gebe für Alleinerziehende zwar Hilfsgelder und Zuschüsse, das Beantragen der Sozialhilfe sei aber häufig aufwendig und mühsam, erzählt Sonja. Sie sei mit dem Zuständigkeitswirrwarr oft überfordert: "Das ist ein richtiges Prozedere, eine Förderung zu kriegen, wenn ein Kind zum Beispiel auf Skikurs fahren will, man sich das aber nicht leisten kann." Ein Steuerausgleich sei leichter, als der bürokratische Aufwand rund um das Beantragen von so mancher Förderung. "Dabei gibt es halt auch Lebensrealitäten, wo man Beihilfen braucht. Das sollte transparenter werden.“
Pleite
Die Coronakrise setzt noch ein Sahnehäubchen auf den finanziellen Sorgenberg von Alleinerziehenden. Maria verliert während des ersten Lockdowns ihren Job. Sie wird fristlos gekündigt. Ihr Arbeitgeber argumentiert damit, dass sich ihr "schwieriges privates Umfeld" auf ihre Arbeitsleistung auswirke. Für Maria ein Schlag ins Gesicht. “Mein Tiefpunkt war eine Nacht Anfang April: Ich war gerade per E-Mail entlassen worden und konnte nicht schlafen. Wir waren allein in der Wohnung, als meine Tochter schreiend aufgewacht ist. Sie war total verängstigt und hat mich in die Nase gebissen. Ich habe dort noch immer eine kleine Narbe.” Marias Tochter merkt, dass mit ihrer Mama etwas nicht stimmt. Der Stress setzt auch ihr zu. Mittlerweile hat Maria zwar einen neuen Job gefunden, gegen ihren alten Arbeitgeber zieht sie aber trotzdem vor Gericht.
Teilzeitbeschäftigte wie Maria haben während der Krise schneller ihre Anstellung verloren als Vollzeitbeschäftigte. Diese wurden eher in Kurzarbeit geschickt. Viele Alleinerziehende haben auch ihre geringfügigen Jobs verloren, sie scheinen in der Arbeitslosenstatistik aber nicht auf. All das dürfte mittel- und längerfristige Folgen haben: Viele alleinerziehende Mütter drohen in die Armut zu kippen.
Auch Sonja machen die Familienfinanzen Sorgen. Sie kann wegen der Kinder nur Teilzeit arbeiten. Ihr Gehalt und die Alimente reichen gerade so aus, um über die Runden zu kommen. In den letzten Monaten wurde die Haushaltskasse aber immer leerer. „Der existenzielle Druck ist sehr groß. Ich arbeite im Kunst- und Kulturbereich, der liegt jetzt nicht ganz zehn Monate brach. Das ist etwas, das bereitet einem schlaflose Nächte, das bereitet einem psychosomatische Krankheitssymptome. Das geht an die Substanz.“
Für viele alleinerziehende Mütter wird das Geld in der Krise knapp. (c) Robert Bogdan von Pexels
Versprochene Familienzuschüsse kommen bei den Alleinerziehenden nur bedingt an. "Wir sind sehr unzufrieden mit den staatlichen Hilfen, die es im Moment gibt“, so Doris Pettighofer von der ÖPA. Alleinerziehende haben nicht nur durch ihre eigene Erwerbssituation weniger Geld, auch das Einkommen des unterhaltspflichtigen Ex-Partners wirkt sich auf die Haushaltskassa aus. Verdient er weniger, werden auch die Alimente geringer.
Die Regierung will Familien in finanzieller Notlage mit dem Corona-Familienhärtefonds unter die Arme greifen. Der Härtefonds berechnet sich aber rein auf Basis des Einkommensverlusts aus der eigenen Erwerbstätigkeit. Ausbleibende oder gesenkte Unterhaltszahlungen werden nicht berücksichtigt. Verliert ein unterhaltspflichtiger Vater also seinen Job, bekommt eine alleinerziehende Mutter die ausbleibenden Unterhaltszahlungen nicht vom Härtefonds vergütet. Damit wird sie gegenüber Zwei-Eltern-Familien benachteiligt.
Stark sein
Allen Widrigkeiten zum Trotz beißt Sonja die Zähne zusammen. Nach außen hin lässt sie sich ihre Verzweiflung nicht anmerken. "Zusammenbrechen und weinen tust du dann nachts alleine am Küchenfußboden, wenn dich niemand sieht und hört, weil du nicht willst, dass die Kinder das mitbekommen und sich Sorgen machen." Das Weinen ist für sie wie ein Ventil, durch das die aufgestauten Sorgen aus ihr herausströmen können. "Mir hat es geholfen in schwierigen Situationen nicht in ein Loch zu fallen, weil diese Option habe ich nicht. Ich kann mich nicht auf die Matte legen und in den Weltschmerz versinken. Ich habe zwei Kinder, die davon abhängig sind, dass ich gerade stehe.”
Auch Andrea kennt diese Momente, in denen gar nichts mehr geht. Sie ist froh, dass ihre Freund*innen ihr selbst in den dunkelsten Zeiten Trost spenden. Egal wie schwierig es wird, Andrea verliert nie die Hoffnung, dass alles irgendwie irgendwann wieder gut wird. “Ich bin schon ein positiver Mensch. Man darf nicht das Negative sehen und das Negative in den Vordergrund rücken. Freilich kommen auch die negativen Situationen, aber viel reden, viel gemeinsame Zeit, eine Auszeit in der Natur, Bewegung – so finde ich den Ausgleich.”
Andreas Weg ist steinig. Sie versucht trotzdem optimistisch in die Zukunft zu blicken. (c) privat
Eine Sorge lässt Andrea aber nicht los. Sie weiß, dass ihr Leben derzeit wie ein wackliger Jenga-Turm gefährlich hin- und herschwingt. Einige Spielsteine wurden durch Corona schon herausgezogen, das Fundament gibt den letzten Halt: die Gesundheit von ihren Kindern und ihr selbst. “Ich versuche alles unter einen Hut zu bringen, immer in der Hoffnung, dass ich und die Kinder nicht krank werden. Weil dann wäre wieder alles anders, dann wäre alles noch einmal viel schwieriger.“
*Name von der Redaktion geändert
Daten & Fakten
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Anlaufstellen
Anlaufstellen für Alleinerziehende sind der Verein JUNO (+43 1/366 2934) und die Österreichische Plattform für Alleinerziehende (+43 1/890 38 90). In Notfällen ist das Elterntelefon unter 142 vertraulich, kostenlos und rund um die Uhr zu erreichen.
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